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TSV Vaterstetten e.V. - Leichtathletik

Leichtathletik für Wettkämpfer, Leistungssportler und Freitzeitathleten

19.08.2017

„Sport ist gnadenlos“

Rückblick von Georgina Schneid auf die 23. Deaflympics in Samsun

Nach Taipeh 2009 und Sofia 2013 nahm Georgina Schneid zum dritten Mal in Folge an den Deaflympics, den  Olympischen Spielen für Gehörlose, teil.  Sie fanden vom 18. bis 30.7.2017 in Samsun/Türkei statt. Beim größten Event im Gehörlosensport starteten 3.145 Sportler aus 97 Ländern. Ein persönlicher Rückblick.

Kurz danach passierte es: Im Halbfinale über 100 Meter lief Georgina Schneid Saisonbestleistung, im Ziel machte sich der Oberschenkel bemerkbar. (Foto: Anton Schneid)

Aufgrund des späteren Wettkampfbeginns in der Leichtathletik flog ich mit acht Athleten aus meinem Leichtathletik-Nationalkader erst am 20. Juli nach Samsun. Somit verpassten wir leider die Eröffnungsfeier. Aufgrund der der politischen Lage in der Türkei waren wir in einem eigenen Hotel untergebracht und viele Polizisten waren rund um das Stadion im Einsatz. Die Türken waren freundliche Gastgeber, mein Eindruck von der Organisation war ziemlich positiv.

Bei den Wettkämpfen stand bei mir zuerst der 100-Meter-Lauf an, auch wenn ich eigentlich hauchdünn die Qualifikationsnorm des deutschen Verbands verpasst hatte. Daher war diese Disziplin nur als „Zwischenstopp“ für den bevorstehenden Staffellauf gedacht. Im Vorlauf schaffte ich es aber überrascherweise, mit einer guten Zeit von 13,17 Sekunden ins Halbfinale zu kommen. Ein guter Lauf, ein toller und optimistischer Auftakt! Noch am gleichen Abend wurde ich von meiner Schwester und meinem Freund, die als Touristen nach Samsun angereist sind, überrascht. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet!

Am nächsten Tag im Halbfinale lief ich eine Saisonbestleistung von 13,08 Sekunden. Außerdem erreichte ich die beste Reaktionszeit im Halbfinale der Frauen: ein Superstart mit 0,192 Sekunden! Trotzdem schied ich aus. Und leider ist dabei etwas Unglückliches passiert: Direkt nach dem Ziel habe ich mir eine Zerrung oder einen Muskelfaserriss am hinteren linken Oberschenkel zugezogen. Sofort dachte ich an die Staffel, die für mich eigentlich der Höhepunkt bei den Deaflympics in der Türkei sein sollte.

Vier Tage danach fand die 4x100-Meter-Staffel der Frauen statt. Bis dahin nahm ich täglich unzählige Schmerztabletten, trainierte im Meerwasser (Samsun liegt am Schwarzen Meer) und ließ mich täglich von unserem Physiotherapeuten Max Zellmer behandeln. Im Staffelteam waren außer mir noch Nadine Brutscher (GSV München), Felicitas Merker (GTSV Essen) und Delia Gaede (GSV Herford). Das „ewige Problem“ bestand darin, dass keine Ersatzläuferin im Nationalkader mitgereist war.
Beim Aufwärmen für den Staffelvorlauf war der Schmerz schon spürbar, dennoch war der Ehrgeiz größer als der Schmerz. Trotz meiner Zerrung sind wir mit großer Freude und einer zufriedenstellenden Zeit von 52,19 Sekunden ins Finale gekommen.

Am nächsten Tag stellte man fest, dass sich meine Verletzung verschlimmert hatte. Nach langen Gesprächen mit dem Arzt, der Bundestrainerin und meinem Papa habe ich beschlossen, auf den Start im Staffelfinale zu verzichten, was für mich eine meiner schwersten Entscheidung in meiner Sportkarriere war. Sport ist gnadenlos. Leider war ich dann sehr nah am Wasser gebaut … aber meine Mädels hatten vollstes Verständnis und waren sofort für mich da, was mich sehr gestärkt und motiviert hat.

Zum Abschluss noch ein paar Worte: Der große Dank gilt meinem wunderbaren Staffelteam, das mir ans Herz gewachsen ist, meinem langjährigen und treuen Heimtrainer vom TSV Vaterstetten, Florian Cucu, meiner liebevollen Familie, meinem verständnisvollen Freund, Freunden, die an mich geglaubt haben – und natürlich meinem coolen Fanclub, dem mein Freund Lars, meine Schwester Maxi, Radu Nistor, Lisa Dietz, Michael und Illknur Warnecke angehören und die uns während der Wettkämpfe super angefeuert haben.

Letztendlich hätte ich nie gedacht, dass auch nach 20 Jahren Leichtathletik die Leidenschaft in mir immer noch sprudelt. Auf jeden Fall bleiben mir die unvergesslichen und emotionalen Deaflympics in Erinnerung, auch wenn es bei mir nicht so gut lief wie erhofft. Aber dadurch habe ich erfahren, dass die Leistung allein nicht zählt. Übrigens bin ich stolz, ein Teil des tollen Leichtathletikteams zu sein, denn jeder hat sich für jeden gefreut und die anderen unterstützt. Ich kann mir kein besseres Staffelteam vorstellen.
(Textbearbeitung: Christian Töpfer)

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Am Boden zerstört: Nach dem 100-Meter-Halbfinale scheint Georgina Schneid chon zu ahnen, was ihre Verletzung bedeutet. (Foto: Anton Schneid)