26.09.2018
Wehmut trotz zweier Goldmedaillen
Guido Müller berichtet von der Senioren-WM
Nach seiner Rückkehr aus Spanien schildert Guido Müller seine Eindrücke und Erlebnisse während der 23. Senioren-Weltmeisterschaft in Malaga.
Ähnlich wie Gerhard Zorn (Bericht 1 und Bericht 2 nachlesen) hat auch der zweite Vertreter vom TSV Vaterstetten, Guido Müller, seine Eindrücke von der Senioren-WM zusammengefasst:
„Zum zweiten Mal in diesem Jahr fand eine internationale Senioren-Meisterschaft in Spanien statt. Die südspanische Provinzhauptstadt Malaga mit etwa 550.000 Einwohnern war Austragungsort für die Wettkämpfe der etwas über 8.000 Teilnehmer aus über 100 Ländern. Ich selbst trat bei meinen vier Einzelwettbewerben gegen Athleten aus 21 Ländern an. Vier Stadien waren zur Durchführung dieser Mammut-Meisterschaft vom 4. bis 16. September erforderlich.
Meine Frau und ich flogen am 4. September um die Mittagszeit nach Malaga, zusammen mit meinem Vereinskameraden, Gerhard Zorn. Leider gab es mit unserer Maschine erhebliche Schwierigkeiten vor dem Abflug, sodass wir erst mit rund drei Stunden Verspätung in Malaga landeten. Durch diese Verspätung entschlossen wir uns, gleich nach unserer Ankunft unsere Startunterlagen abzuholen, da ich bereits am nächsten Vormittag meinen Vorlauf über 100 Meter bestreiten musste.
Da bei den angetretenen 26 Teilnehmern in meiner Altersklasse M75 vier Vorläufe erforderlich waren, mussten Halbfinals angesetzt werden, die am anderen Tag durchgeführt wurden. Bei der Durchsicht der gelaufenen Zeiten nach den Vorläufen war mir klar – ich war im letzten Jahr meiner Altersklasse –, dass ich nur wenig Chancen haben würde, das Finale über 100 Meter zu erreichen. Deshalb lief ich beim Zwischenlauf nur einige Meter und hörte dann auf. So konnte ich Kraft für meine weiteren Wettbewerbe sparen.
Für den nächsten Tag waren bereits für 9:45 Uhr die beiden Vorläufe über 300 Meter Hürden mit 11 Teilnehmern angesetzt. Da es in unserem Hotel erst ab 8 Uhr Frühstück gab, mussten wir, wie auch an mehreren darauffolgenden Tagen, ohne Frühstück das Hotel zum Carranque-Stadion verlassen. Den ersten Vorlauf gewann der favorisierte Taiwaner Yuan-Chung-Hsu mit hervorragenden 54,01 Sek. Auch ich gewann meinen Vorlauf, jedoch auf den letzten 100 Metern im Schongang laufend, mit 58,96 Sek. Im Finale siegte der direkt vor mir laufende Taiwan-Chinese, der drei Jahre jünger ist als ich, erwartungsgemäß in 53,13 Sek., während ich nach 55,81 Sek. als Zweiter das Ziel erreichte.
Dies war mein letzter Lauf über 300 Meter Hürden, denn ab der Altersklasse M80 wird die Strecke auf 200 Meter verkürzt. Mein Weltrekord von 49,65 Sek. blieb aber auch vom überlegenen Chinesen unangetastet. Für die Siegerehrung musste ich mich zum Hauptstadion begeben, um einigen Stunden später wieder zum Carranque-Stadion zurückzukehren , in dem die Vorläufe über 200 Meter stattfanden.
Bei 22 Teilnehmern waren dabei vier Vorläufe erforderlich, um die 16 Teilnehmer für die beiden Halbfinals zu ermitteln. Obwohl ich nur 33,50 Sek. erreichte, konnte ich mich für das Halbfinale qualifizieren. Nach einem allgemeinen Ruhetag fand dieses dann bereits um 10:10 Uhr im Universidad-Stadion statt. Hier erreichte ich nur die Zeit von 33,83 Sek., was aber nicht für das Finale ausreichte – mindestens 32,16 Sek. hätten es sein müssen.
Da sich für 400 Meter „nur“ 24 Teilnehmer gemeldet hatten, haben drei Vorläufe ausgereicht, um die acht Finalteilnehmer zu ermitteln. Ich hatte etwas Glück, dass ich im ersten Vorlauf mit 1:16,80 Min. als Zweiter sicher das Finale erreichte. Nach einem weiteren freien Wettkampftag fand im Universidad-Stadion wieder zu einer „Frühsportzeit“ um 9:36 Uhr das 400-Meter-Finale statt. Nach der Durchsicht der im Vorlauf von meinen Konkurrenten erzielten Zeiten konnte ich auf keinen Medaillenrang hoffen. Nur ein fünfter Platz schien mir bei guter Laufeinteilung realistisch. Genauso kam es dann, obwohl ich mich auf 1:14,12 Min. steigern konnte.
Wehmütig dachte ich an frühere internationale Meisterschaften zurück, bei denen ich mit teilweise großer Überlegenheit siegen konnte. An dieser Stelle möchte ich die grandiose Zeit des Amerikaners Charles Allie in der M70 erwähnen, der meinen vor neun Jahren bei der WM in Lahti (Finnland) mit 59,34 Sek. aufgestellten 400-Meter-Weltrekord auf 57,26 Sek. verbesserte. Damals war ich der erste 70-Jährige gewesen, der die Stadionrunde unter einer Minute gelaufen ist.
Da meine Läufe immer zeitlich vor den Läufen von Gerhard Zorn stattfanden, hatte ich mit meiner Frau die Möglichkeit, Gerhards beeindruckende Finalläufe auf der Tribüne zusammen mit seiner Frau Colleen und seiner Schwester mit deren Mann zu verfolgen. Besonders beeindruckend waren die letzten ca. 50 m des 200-Meter-Finales (Video ansehen), als Gerhard Meter um Meter aufholte und im letzten Moment mit neun Hundertstelsekunden Vorsprung den Amerikaner Varn Barnwell abfangen konnte und damit Weltmeister wurde. Die „Gerhard Fan Gruppe“ beklatsche auch Gerhards 400-Meter-Spurtsieg. Zur Siegerehrung über 200 Meter begleiteten wir Gerhard und sangen die zu seinen Ehren gespielte Nationalhymne begeistert mit.
Traditionell finden am Abschlusstag einer WM, nach Beendigung der anderen Wettkämpfe, die beiden Staffeln über 4x100 Meter und 4x400 Meter statt. Die Haupttribüne, überwiegend mit den Teilnehmern in Sportkleidung aller Nationen besetzt, bot dazu die passende Kulisse und ließ noch einmal die breite Internationalität dieser Meisterschaften erkennen. Ich habe noch nie bei einer Senioren-Weltmeisterschaft, an denen ich seit 1985 teilnehme, diese Vielzahl an Nationalitäten empfunden. Ich konnte beim deutschen Team in beiden Staffeln mitwirken und an den beiden Siegen teilhaben, die mir neben der Silbermedaille über 300 Meter Hürden doch noch zwei Goldmedaillen bescherten.
Am Abend trafen wir uns noch mit Gerhard und Colleen sowie einigen Sportfreunden zum fröhlichen Ausklang dieser alles in allem gut gelungenen Weltmeisterschaft in einer Pizzeria in der Fußgängerzone der Altstadt. Am Tag nach den Wettkämpfen flogen wir diesmal ohne Zeitverzögerung mit Zufriedenheit und Dankbarkeit wieder nach München zurück."